Zum Inhalt springen
Fotostrecke

Polizeikontrolle: Jeder zweite Fernbus hatte Mängel

Foto: Kristoffer Finn

Fernbuskontrolle Mit Polizeieskorte in die Werkstatt

Billiger als die Bahn, komfortabler als Mitfahrgelegenheiten - kein Wunder, dass der Markt für Fernbusreisen boomt. Doch wie sicher sind diese Luxus-Brummis eigentlich? Einblicke in eine Routinekontrolle der Polizei.

"Oh Nein", stöhnt Franziska. Ihre Freundin Bahar verdreht die Augen. Die beiden jungen Frauen stehen im Gang eines nagelneuen grünen Reisebusses. Ein paar Tage sind sie in Hamburg durch Cafés und Boutiquen geschlendert, jetzt wollen die Twens einfach nur nach Hause. Doch der Busfahrer - leichte Schweißperlen auf der Stirn - greift in Hannover unerwartet zum Mikrofon. Statt Richtung München müsse er erst einmal in die Werkstatt fahren - mit Polizeibegleitung.

Hannover, ein Donnerstag im Mai, kurz vor 9 Uhr. Dichte Wolken hängen über dem Zentralen Omnibusbahnhof (ZOB), als acht Polizeiwagen anrollen, um Fernbusse und ihre Fahrer zu überprüfen. Im Januar 2013 wurde der Markt für die dicken Brummer liberalisiert, seitdem dürfen private Firmen in Deutschland auch dann Verbindungen zwischen den Städten anbieten, wenn sie mit der Bahn konkurrieren.

Der Markt boomt, die Preise purzeln. Franziska und Bahar zahlen 25 Euro von Hamburg bis Coburg, für eine Strecke von etwa 500 Kilometern. Die Bahn ruft dafür knapp 140 Euro auf. Selbst Mitfahrzentralen können kaum mit Anbietern wie "Mein Fernbus", "City2City" oder dem "ADAC Postbus" mithalten. "Aber wo kommt der Preis her?", fragt Polizei-Einsatzleiter Frank Zapf rhetorisch. Die Dumpingpreise könnten oftmals auf Kosten des Fahrpersonals gehen.

Der Fahrer des grünen Reisebusses zuckt mit den Schultern. "Dann ist es halt so", sagt er einsichtig, als Hauptkommissar Jörg Bielefeld ihm die Weiterfahrt verbietet. "Die Polizei weiß schon, was sie tut". An der Hinterachse des Busses hatte Bielefeld zuvor laute Zischgeräusche gehört. "Ich vermute, die Bremsanlage ist undicht", erklärt der Polizist. Bielefeld begleitet den Bus mit einem Streifenwagen in die Werkstatt - dort wird sich herausstellen, dass ein Druckschalter nicht richtig verschraubt war. Laut Angaben der Polizei kann die Bremse dadurch bei erhöhtem Druckluftverlust eine ungewollte Vollbremsung auslösen. "Der ist doch erst zwei Monate alt", klagt der Busfahrer, er kann es nicht fassen, dass etwas mit seinem MAN nicht stimmen soll.

Technische Mängel an den modernen Reisebussen sind tatsächlich eher die Ausnahme. Fast alle der kontrollierten Brummis an diesem Morgen in Hannover rollten erst im vergangenen Jahr aus dem Werk. Kratzfreie Scania-Busse, mit WLan ausgestattete MAN-Riesen und mit viel Komfort ausgerüstete Mercedes-Modelle - Luxus auf vier Rädern. Vier von 21 kontrollierten Bussen weisen kaputte Markierungsleuchten auf. Das aber sind lediglich Petitessen. Ordnungswidrigkeiten.

Doch immer wieder gibt es auch in einem gravierenden Punkt leider Unregelmäßigkeiten: den Lenkzeiten der Fahrer. Obwohl diese durch Technikfeatures wie den Fahrtenschreiber relativ engmaschig kontrolliert werden, wird dort offenbar immer noch getrickst. "Ich sollte immer alleine von München nach Braunschweig fahren", beklagt sich einer der Buslenker bei den Polizisten. Die Strecke misst mehr als 600 Kilometer, ein Busfahrer darf normalerweise aber nicht länger als neun Stunden am Tag hinter dem Steuer sitzen. Wenn der Bus zwischen München und Braunschweig im Stau steht, wird das schon eng.

"Ich habe gekündigt", sagt der Fahrer. Heute sitzt er am Steuer eines ADAC Postbusses und ist mit seinem Arbeitgeber zufrieden. In diesen Wochen hört man ja wenig Gutes über den seit Bekanntwerden eines Manipulationsskandal krisengeschüttelten Automobilclub. Doch selbst bei den Beamten, die weder gut noch schlecht über einzelne Anbieter reden, gilt als Faustformel: "Gelb ist gut" - bei Konkurrenten wie "Mein Fernbus", "FlixBus" oder "City2City" fällt das Bild differenzierter aus.

Bußgeld in Höhe von 1140 Euro verhängt

Die beiden Polizeibeamten Roland Hannawald und Frank Lies nehmen sich einen weißen Bus mit Kölner Kennzeichen vor. Die Tour geht nach Hamburg, zwei Busfahrer sind an Bord. Einer der beiden reagiert einsilbig, als die beiden Männer in Uniform und gelber Warnweste das Cockpit entern. Der andere Fahrer reicht kooperativ alle wichtigen Papiere.

Hannawald nimmt im Cockpit Platz und liest die Daten des Fahrtenschreibers aus. Jeder Busfahrer muss vor Fahrtantritt seine persönliche Karte in das Gerät stecken. Alle Lenk- und Ruhezeiten werden darauf festgehalten; darüber hinaus wird auf dem Massenspeicher auch die Geschwindigkeit des Busses erfasst. Durch Datenabgleich können die Kontrolleure Unstimmigkeiten aufdecken.

Mit dem Stick marschieren die Polizisten zu einem T4-Bus. In dem Bulli sitzt ein weiterer Kollege vom Verkehrsdienst Hannover, der die Lenkzeiten der Busfahrer überprüft. "Manipulationsprüfung läuft", sagt sein Laptop. Anschließend wirft das Gerät ein Balkendiagramm in rot und blau aus. "Dieser Bus fährt ziemlich häufig ohne Fahrerkarte", urteilt der Beamte - offenbar, um die rechtlich zulässige maximale Lenkzeit auszudehnen. Sowohl dem Halter als auch den Fahrern droht ein Bußgeld.

Busse sind das sicherste Verkehrsmittel im Straßenverkehr

Was nach einem kleinen Verstoß klingt, kann für die Passagiere schlimme Folgen haben. Zwar sind Busse nach Angaben des Statistischen Bundesamtes das sicherste Verkehrsmittel im Straßenverkehr - doch immer wieder kommt es zu Unfällen wegen Übermüdung der Fahrer. Auch in Hannover erwischten die Polizisten einen 52-Jährigen, der die vorgeschriebene Wochenruhezeit um 19 Stunden unterschritt. Ihn erwartet nun ein Bußgeld in Höhe von 1140 Euro.

Insgesamt beanstandete der Verkehrsdienst Hannover innerhalb von vier Stunden zehn von 21 Bussen. Es ist das vierte Mal in anderthalb Jahren, dass die Polizei in Hannover die Fernbus-Flotte überprüft. Die Kontrolle an diesem Donnerstag im Mai - ein Spiegelbild der Branche, denn auch in der Vergangenheit stellte die Polizei jedes Mal Verstöße fest.

Für den grünen Bus ging es nach einer kurzen Reparatur der Bremsanlage in Hannover zügig weiter. Zwar blieb der Busfahrer von einer Strafe verschont, dafür muss der Halter mit Konsequenzen rechnen. 270 Euro Bußgeld und ein Punkt in Flensburg - ein kleiner Preis für mehr Sicherheit.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Artikels werden die Folgen der undichten Bremsanlage falsch erklärt. Der Fahrer tritt dabei nicht, wie es in einem Zitat hieß "ins Leere" - stattdessen kann eine ungewollte Vollbremsung ausgelöst werden. Wir haben den Fehler korrigiert und bitten, ihn zu entschuldigen.